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09.12.2020 | Kategorien TEC News

Sieben Reutlinger Technik-Professoren unterwegs mit dem Buggy

Der Straßenbuggy Adly GK 125 wird zu einem eFahrzeug umgebaut. Diese Professoren des Studiengangs Mechatronik zeigen, wie man Lehre und Praxis an der Hochschule Reutlingen verbindet. Von links nach rechts: Prof. Dr. rer. Nat. Eberhard Binder, Prof. Dr. Carsten Raudzis, Prof. Dr. rer. nat. Christian Höfert, Prof. Dr. Jens Weiland, Prof. Dr. Ertugrul Sönmez. Auf dem Buggy: Prof. Dr. rer. nat. Matthias Rätsch, Prof. Dr.-Ing. Gernot Schullerus, sitzend: Tim Aaron Möck. Foto: tec-pr/Emma Kindermann

Lesen Sie hier das ganze Interview, das auch in der November-Ausgabe der GEA-Campusseite erschienen ist! „Unterwegs mit dem Buggy“ sind sieben Professoren der Fakultät Technik, die ihre

Vision vom autonomen Fahren (be)greifbar machen wollen

Studieren geht man, um von Experten zu lernen und selber einer zu werden. Professor wird man, weil man ein immer lernender Experte ist und Wissen teilen will, mit Studierenden und „Normal-Lesern“ wie wir, damit auch wir verstehen, wie die Zukunft ein Teil unseres Lebens wird, gerade wenn es um Themen wie Autonomes Fahren geht. Die Pressesprecherin der Fakultät Technik der Hochschule Reutlingen, Kerstin Kindermann, hat ein Gespräch im Freien mit den sieben Reutlinger Professoren geführt, die die stille Zeit der vergangenen Monate genutzt haben, um „leise“ mit ihrem eFahrzeug Fahrt für die Zukunft aufzunehmen.

 

Nach einer aktuellen repräsentativen Online-Studie eines namhaften Automobilherstellers entscheidet unser Lebenskontext über unsere Einstellung zum autonomen Fahren und ob wir eher ein „misstrauischer Selbstfahrer“, „sicherheitsorientierter Zögerer" oder „aufgeschlossener Co-Pilot“ sind. Je jünger und höher der Bildungsgrad sowie das Einkommen, desto offener stehen wir dieser Zukunft gegenüber und avancieren zum „statusorientierten Trendsetter“ oder „technikaffinen Passagier“.

 

Zu welchem Typ gehören Sie Professor Weiland? 

Weiland: Aufgeschlossener, technikaffiner Entwickler und Selbstfahrer! Während meines Aufenthalts an der University of Waterloo, Canada, wirkte ich, in einem Forschungsprojekt zum autonomen Fahren mit. An dem Projekt waren eine Reihe Professoren und Studierende beteiligt, die mit großer Begeisterung am gemeinsamen Zielmitarbeiteten. Zurück an unserer Hochschule war die Idee geboren, gemeinsam mit interessierten Kollegen ein auf unsere Verhältnisse angepasstes Projekt durchzuführen.

 

Professor Schullerus, Sie sind bekannt dafür, dass Sie schon mal mit ihrem Hoverboard im Hörsaal aufkreuzen und „mobile“ Lehre praktizieren. Was ambitioniert Sie an diesem Projekt?

Schullerus: Schon lange beschäftigt mich der Gedanke, wie man unseren Studierenden den Nutzen des Wissens, das wir ihnen in den Vorlesungen und Praktika beibringen, unmittelbar zeigen kann; wie man plakativ darstellt, dass unsere Veranstaltungen nicht einfach nur Einzelteile sind, sondern im Zusammenhang gesehen werden. In einem Elektrofahrzeug steckt fast unser gesamtes Studium drin. Deswegen wollte ich ein solches Fahrzeug aufbauen.

 

Wer macht mit? 

Weiland: Wir sind mit sieben Professoren-Kollegen des Studienbereichs Mechatronik an den Start gegangen: Außerdem ist es offen für alle interessierten Studierenden unseres Bachelor- und Masterstudiengangs Mechatronik.

 

Ihr Ziel ist ein „Autonomes eFahrzeug“, was sollen die Studierenden dabei lernen?

Weiland: Einmal das Umrüsten eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor auf einen Elektroantrieb mit selbstentwickelter Leistungselektronik und einer Batterie. Zum anderen das Ausstatten des Fahrzeugs mit einer Umfelderkennung, wie Kamera, Radar und Lidar sowie Algorithmen, so dass dieses selbständig seine Umgebung wahrnehmen und sich in dieser bewegen kann.

 

Wie geht man bei der Fahrzeugentwicklung vor?  

Die Projektidee ist zwar schon ein paar Tage alt. Die technische Umsetzung hat allerdings in diesem Wintersemester erst begonnenund ist über mehrere Jahre ausgelegt ist.

Im Rahmen erster Projektarbeiten hatten wir bereits eine Stakeholder- und Anforderungsanalyse durchgeführt. Alle Anforderungen der beteiligten Professoren an das Fahrzeug wurden gesammelt und bewertet. Wir mussten zunächst herausfinden, auf welcher Basis wir starten: Mit einer Rahmenkonstruktion oder mit einem fertigen Fahrzeug, bei dem wir nur noch das USB-Kabel für den Datenaustausch anschließen müssen. Neben der Sicherheit, wie maximale Geschwindigkeit und Betriebsspannung, spielten auch so einfache Anforderungen, wie die Größe und das maximale Gewicht eine Rolle, um das Fahrzeug auch im Labor aufbauen zu können. Ebenso mussten die Lehr- und Forschungsinteressen der Kollegen für die Auswahl unseres Fahrzeugs berücksichtigt werden. Als „Basissystem“ haben wir uns für den Straßenbuggy Adly GK 125 entschieden.  

 

Erstes Ergebnis ist dieses große „Männer-Spielzeug“?

Weiland: So kann man es auch sehen: Ein Männer- und Frauenspielzeug. Wir haben gleich zwei gebrauchte Straßenbuggies beschafft: Der eine wird direkt zum eFahrzeug umgebaut, der Zweite bleibt für Versuchsfahrten zunächst fahrbereit. Auf diese Weise können wir die Fahrzeuge  als „ShowCase“ für Veranstaltungen, wie den Tag der offenen Tür oder Konferenzen, Besuche von Firmenvertretern sowie als Versuchsträger für Forschungsfragen und Lehrmittel und Motivation für unsere Studierenden für Projektarbeiten und Thesen verwenden.

 

Autonomes Fahren hat das Potenzial unsere Mobilität substanziell zu verändern. Wie nehmen wir die Menschen mit auf diese Reise?

Schullerus: Derzeit wird im Rahmen einer Bachelorarbeit ein Elektroantrieb in einen der beiden Buggies integriert. Zwei weitere Arbeiten entwickeln die Leistungselektronik zur Motoransteuerung mit modernster Halbleitertechnologie.  Damit unsere Autos so etwas wie ein Bewusstsein für ihre Umgebung haben, sollten sie in der Lage sein, zu sehen, zu hören und wenn Sie so wollen, sogar zu fühlen. Es ist unsere Aufgabe mit der besten Technologie und Wissenschaft die Erwartungen der Menschen zu erfüllen und ihre Ängste in Neugier und Vertrauen zu verändern.

 

Die Vision der Autohersteller ist, dass uns die Fahrzeuge überall hinbringen, selber parken, Gefahren im Vorfeld erkennen, uns Zeit geben neben dem Fahren andere Dinge zu tun … Wie sieht es mit dem Thema KI aus?

 

Rätsch: K.I. hat gigantisches Potenzial für sehr komplexe Fahrsituationen. Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine große Kreuzung mit mehreren Fahrspuren, viele Ampeln, überall Lichter, Baustellen, unübersichtliche Fahrbahnmarkierungen und dazu Regen und Nacht. Fußgänger und parkende Autos, Radfahrer. Klingt nach totaler Überforderung für uns Menschen und dennoch schaffen wir es, diese Situation zu lösen und dieses intelligente Millisekunden-Handeln wollen wir mit K.I. auf Fahrzeuge übertragen.

 

Bedeutet Antriebswechsel und entsprechende Software?

Weiland: Und zwar eine ganze Menge. Heutige Fahrzeuge sind rollende Rechnernetze mit rechenintensiven Aufgaben. Die darin verbaute Software umfasst 50-100 Millionen Zeilen Sourcecode. Solche Softwaresysteme sind nur beherrschbar, wenn sie ingenieurmäßig gebaut werden. Architekturkonzepte für derartig komplexe Systeme vermittle ich unseren Studierenden.

 

Werden unsere Autos fahrbare Smartphones und Teil der virtuellen Welt?

Schullerus: Ja, wie vor 100 Jahren wollen wir Pioniere des Neuen Fahrens seins. Fahren in 2030 wird nicht mehr dasselbe sein wie in 2020. Vieles wird weiter automatisiert und elektrifiziert und damit effizienter. Bei unserem Buggy wird im ersten Entwurf im Antriebsstrang der Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor ersetzt, die danach die Hinterachse durch zwei getrennte Antriebe – jeweils einen pro Rad ersetzt und wir denken über eine elektrische Servolenkung nach.

 

Welcher Lehrzweck steckt dahinter?

Weiland: Das Phantastische ist, dass Kollegen aus den verschiedenen Disziplinen der Mechatronik am Projekt teilnehmen. So können wir den Studierenden den wesentlichen Aspekt vermitteln, dass die Mechatronik nicht nur aus einzelnen voneinander unabhängigen Disziplinen besteht – wie Mechanik, Elektronik, Informatik – sondern, dass erst das Zusammenwirken der Disziplinen zum Erfolg führt.

 

Schullerus: In den Vorlesungen zeigen wir direkt, wo die gelehrten Konzepte und Baugruppen in einem für die Studierenden interessanten und bekannten System vorkommen und wie diese mit anderen Systemen zusammenwirken. Studieren ist nicht das Abhaken von Prüfungen, sondern unsere Lehrinhalte ergeben ein Gesamtbild, mit dem man im Beruf an technisch und gesellschaftlich relevanten Lösungen arbeiten kann. Wenn wir die Lehrkompetenz auf die Fahrkompetenz übertragen und es als Wissenschaftler schaffen, nicht nur jüngere, gut ausgebildete und verdienende Menschen für die neue Mobilität zu begeistern, sondern dass auch Skeptiker den neuen Technologien gegenüber offen sind, schaffen wir ein vertrauensvolles kollektives Gedächtnis.