ALT + + Schriftgröße anpassen
ALT + / Kontrast anpassen
ALT + M Hauptnavigation
ALT + Y Socials
ALT + W Studiengang wählen
ALT + K Homenavigation
ALT + G Bildwechsel
ALT + S Übersicht
ALT + P Funktionsleiste
ALT + O Suche
ALT + N Linke Navigation
ALT + C Inhalt
ALT + Q Quicklinks
ESC Alles zurücksetzen
X
A - keyboard accessible X
A
T
30.05.2017 | Kategorien TEC News

Maschinenbau-Master 2mal live auf der Moulding Expo: Polyman und 3-2-eat

Patrick Wiest und Professor Dr.-Ing. Steffen Ritter mit dem Polyman auf der Moulding Expo am VDWF Stand

tec/pr-krk, Im Interview mit Kerstin R. Kindermann

„Mehr Messe geht nicht!“

Wenn es um Echt-Projekte mit hohen Anforderungen geht, hat es sich in der Kunststoffbranche mittlerweile herumgesprochen, ist Dr.-Ing. Steffen Ritter, Professor an der Fakultät Technik der Hochschule Reutlingen, genau der richtige Ansprechpartner. Aktuell zieht er auf der Moulding Expo in Stuttgart gleich zweimal viel Aufmerksamkeit auf sich und den Studiengang Maschinenbau: schon lange hatte er die Idee eine Zwei-Komponenten-Anwendung zu fertigen, die je zur Hälfte einer kunststoffgerechten und einer nicht kunststoffgerechten Bauteilkonstruktion entstammt. Seit zwei Jahren konzipierte er mit zwei seiner Maschinenbau-Masterstudierenden dieses vollkommen neuartige Projekt. Als großen Projekt-Partner konnte er dafür den VDWF (Verband Deutscher Werkzeug- und Formenbauer e.V.)  gewinnen, denn ein Teil, das alles „Gute und Schlechte“ aus der Praxis der Spritzgussproduktion in einem Teil vereint und auf einen Blick erkennbar macht, gab es noch nie! Sein zweiter Coup in diesem Sommer: Er produziert mit einem 18köpfigen studentischen Team live auf der Moulding Expo vom 30. Mai bis 2. Juni das Messe-Give-Away – jeder Messebesucher erhält dieses formschöne und praktikable Ess-Besteck „3-2-eat“ aus Kunststoff.

Wer ist dieser Mann und was treibt ihn an? Wir fragten nach:

Kindermann: Professor Ritter, als ich Sie vor zwei Jahren das erste Mal von Ihrem Polyman schwärmen hörte, konnte ich mir das Ausmaß nicht annähernd vorstellen, was dieses kleine Teil in der Branche auslösen wird. Was ist passiert?

 Ritter: Ich hatte eine Vision. Seit Jahren habe ich nach einem Teil gesucht, das die spritzgießgerechte Bauteilkonstruktion sichtbar macht – und zwar durch die direkte Gegenüberstellung von „Gut und Schlecht“.

Kindermann: Das ist Ihnen mit dem Polyman – ein rechteckiges blau-orange/rotes Spritzgussteil vollkommen gelungen. Ich bin sehr beeindruckt, weil ich diese Entwicklung hautnah über zwei Jahre in allen Facetten miterleben durfte.

Warum brauchte es den Polyman unbedingt und warum wird er in der Branche so gehypt?

Ritter: Der Polyman zeigt die zwei Seiten eines Kunststoffspritzgussteils. Einmal wie es sein sollte: ein material-, technologie- und werkzeuggerecht konstruiertes Bauteil. So wie unser „3-2-eat“-Messe-Give-Away, das wir parallel auf der Messe auch noch mit einem 18köpfigen Studierenden-Team produzieren.

Und auf der direkt anliegenden Seite die gängige Praxis, wie Spritzgussbauteile heute leider noch oft aussehen. Wir zeigen, was möglich ist und wo die Fehlerquellen liegen. Die flexible Konzeption des Werkzeugs für unterschiedliche Maschinenkonzepte, bis hin zur Option, Polyman auch als 1K-Teil zu spritzen – das war eine schöne ingenieurtechnische Herausforderung.

 Kindermann: Wo findet der Polyman Anwendung?

 Ritter: In der Ausbildung von Kunststoffbauteilkonstrukteuren und bei den Werkzeug- und Formenbauern. Die gesamte Kunststoffspritzgussbranche profitiert von diesem einmaligen Projekt. Bei unserem Kooperationspartner KraussMaffei (München) wird der Polyman im Bereich der Anwendungstechnik oder als Anschauungsobjekt eingesetzt werden. Er wird eine Bereicherung für den ganzen Industriezweig sein. Bessere Qualität in Bauteilen, kosteneffizientere Werkzeugfertigung und ein Bekenntnis für lebenslanges Lernen stecken dahinter.

 Kindermann: Weil der Polyman die Essenz der Spritzgussgestaltung ist und man ganz praktisch an einem Bauteil ganz, ganz viele Sachen erklären und zeigen kann?

Ritter: Exakt. Mit dem Polyman ist uns ein sehr komplexes Bauteil gelungen. Für mich ist es konzeptionell mit Sicherheit das spannendste Bauteil, das ich hier an der Hochschule von der Idee bis zur Serienfertigung umgesetzt habe. Und: Ich habe mich noch nie so über ein verzogenes Bauteil, also die „Schlecht“-Seite gefreut!

Kindermann: Was ist das Besondere am Polyman?

Ritter: Bei diesem Werkzeug kommt es auf die Ausbalancierung der beiden Kunststoff-Komponenten an. Wir waren alle überrascht, als sich bei der Abmusterung zeigte, wie gut wir alles konstruiert und umgesetzt hatten. Es musste kaum nachgearbeitet werden. Und dieses Gefühl und Ergebnis zieht sich durch das gesamte Projekt, an dem ein außergewöhnlich engagiertes Spezialisten-Team gearbeitet hat.

Kindermann: Das Projekt Polyman ist in der Tat eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen Technologiepartnern und -sponsoren.

Ritter: Wir haben etwas geschafft, was uns wahrscheinlich viele nicht zugetraut hätten. An allen Stellen haben nur Experten ihres Fachs mitgewirkt und wirklich mitgefiebert. Und so ist ein Lehrstück für das Nebeneinander von „guter und schlechter“ Kunststoffbauteilkonstruktion entstanden.

Kindermann: Welche Rolle hatte dabei Ihr Master-Student Patrick Wiest?

Ritter: Fragen wir ihn selbst:

Patrick Wiest: Ich konnte hier an etwas ganz Besonderem arbeiten und habe unglaublich viel gelernt. Von A – Z konnte ich mich mit diesem Realprojekt noch mal mit allem auseinandersetzen, was für die Spritzgießkonstruktion wichtig ist. Und ich bin unglaublich stolz, dass das Bauteil auf der Moulding Expo hergestellt wird.

Kindermann: Danke für das Stichwort: Das Spritzgussmuster mit der bemerkenswerten Entstehungsgeschichte wird auf der Moulding Expo zwischen dem 30. Mai und dem 2. Juni seine Premiere feiern. Sie produzieren live in Halle 6 der Messe Stuttgart den Polyman am Gemeinschaftsstand des VDWF. Wie kam es zu dieser großartigen Gelegenheit hier vor Ort dabei zu sein?

 Ritter: Das ist einer meiner Jobs als Professor an der Hochschule. Ich verfüge über ein entsprechendes Netzwerk in der Branche. Und die Hochschule Reutlingen gehört zu den besten Hochschulen in Deutschland. Wir sind ein richtiges „Polyman-Team“ geworden: Den Hauptanteil daran hat sicher der VDWF und ganz voran sein Geschäftsführer Ralf Dürrwächter. Gemeinsam konnten wir mit dem VDWF und der Messe Stuttgart noch die Hochschule Schmalkalden und sechs weitere Partner-Firmen für unsere Idee begeistern: Nachdem wir die Bauteilkonstruktion und die Werkzeugkonzeption abgeschlossen hatten, unterstützte uns das Ingenieurbüro Falke mit der Detailkonstruktion des kompletten Werkzeuges. Georg Meusburger (Wolfurt, Österreich) lieferte die Werkzeugnormalien, also den Werkzeugrohling. Das Spritzgusswerkzeug wurde dann vom Werkzeugmacher Formotion aus Wilnsdorf gebaut. Die Spritzgussmaschine, auf der während der Messe produziert wird, stammt von dem Münchner Unternehmen KraussMaffei. Besonders gefällt mir, dass die Hochschule Schmalkalden, den Polyman nach der Moulding Expo weiter produzieren wird. Das Material kommt dann von Borelis aus Österreich und eingefärbt wird der Kunststoff mit Masterbatch von Granula aus Rudolstadt.

Kindermann: Polyman ist also ein Lehrstück, von dem Sie sagen „gut ist auch, was man Schlechtes sieht“?

Ritter:  Die Polyethylen-Zwei-Komponenten-Anwendung besteht aus einer „Gutseite“ in blau und einer „Schlechtseite“ in orange/rot. Mit einem einzigen geübten Blick ist zu sehen, wie man mit einer durchdachten Kunststoffteil-Konstruktion die Qualität des zu fertigenden Bauteils optimiert und gleichzeitig Zeit und Geld sparen kann.

Kindermann: Orange/rot ist also die schlechte Seite, so wie es nicht aussehen sollte?

Ritter: Richtig, auf der „Schlechtseite“ fehlen die Entformungsschrägen, die Wandstärken sind ungleichmäßig dick und werden auch in der Praxis leider oft nicht beachtet. Das Teil ist verzogen und hat Einfallstellen. Einmalig ist das Projekt, weil „gut konstruiert“ und „schlecht konstruiert“ in einem Kunststoffprodukt zusammenkommen. Gut heißt zum Beispiel auch, dass die „Schlechtseite“ mit den Negativbeispielen wie Einfallstellen und Verzug sich wirklich übel verhält, so dass die Unterschiede sehr augenfällig sind.

Kindermann: Und auf der blauen Seite?

Ritter: Auf der „Gutseite“ ist dargestellt, wie man’s richtig macht. Sie braucht 23 Prozent weniger Material. Würde man den Polyman ohne „Schlechtseite“ fertigen, würden die Werkzeugkosten um mindestens 30 Prozent sinken.

Kindermann: Über 1000 Entwicklungs-Stunden gemeinsam mit Ihren Maschinenbau-Studenten Christoph Stehle und Patrick Wiest stecken im Polyman?

Ritter: In vielen Arbeitsstunden und iterativen Schleifen ist das didaktische Bauteilkonzept entstanden und schließlich umgesetzt worden. Eine spritzgießgerechte Bauteilkonstruktion, die in der direkten Gegenüberstellung „Gut und Schlecht“ sichtbar macht. In einer bauteilerläuternden Kompaktbroschüre erläutern wir in einer sehr anschaulichen Art die konstruktiven Merkmale in kondensierter Form.

Kindermann: Ist das der Grund, weshalb VDWF-Präsident,Professor Thomas Seul, von der Hochschule Schmalkalden den Polyman an der Hochschule weiterproduzieren will?

Ritter: Ja – wie alle Projektteilnehmer steht er voll dahinter. Polyman ist ein wichtiges didaktisches Hilfsmittel, um die Anforderungen an die drei Bereiche Werkzeugtechnologie, Produktentwicklung und Produktionsprozess an einem Produkt darzustellen und vergleichend zu erklären. Ein Lehrmittel, wie man es sich nur wünschen kann.

Kindermann: Was wäre jetzt noch Ihr Wunsch?

Ritter: Wir alle fänden es richtig toll, wenn wir von den Berufsschulen und verschiedensten Studiengängen angesprochen werden würden, die unser „Fachbuch“ Polyman gerne bei der Ausbildung einsetzen möchten. Wir haben etwas Gemeinsames für die Branche auf den Weg gebracht, so kann es weitergehen.

Kindermann: Und die Messe Stuttgart unterstützt Sie mit ihren Marketing-Aktivitäten gleich zweimal auf der Moulding Expo! Denn Sie und die Master-Studierenden der Fakultät Technik produzieren nicht nur den Polyman, sondern auch noch das Messe-Give-Away – ein ziemlicher Coup – würde ich mal sagen!

Ritter: Ja ohne die enge Koordination des VDWF und der Messe Stuttgart wäre diese super Geschichte nicht entstanden. Ich habe ja schon viele Studien- und Netzwerkprojekte gemacht, doch dieser Netzwerkkreis ist einzigartig.  

Kindermann: Deswegen konnten Sie auch Florian Niethammer, den Teamleiter der Moulding Expo, Messe Stuttgart für Ihre Projekte gewinnen?

Ritter: Ja, als Florian Niethammer die Ideenskizze für das kommende Projekt sah und vor allem, was insgesamt dahintersteckt, war für die Messe klar, dass sie mitmacht und unser Projekt begleiten wird. Die Messe gibt uns für beide Projekte eine unglaubliche Plattform und stellt alle ihre Marketing-Kanäle zur Verfügung. So eine Initiative gab es bislang meines Wissens nach nicht in der Branche.

Kindermann: Sagen Sie bitte etwas zum Messe-Give-Away.

Ritter: Wir haben ein innovatives und multifunktionales Ess-Werkzeug „3-2-eat“  aus Hochleistungskunststoff entwickelt. Jedes Semester veranstalte ich mit meinen Masterstudierenden ein Produktentwicklungs-Echtprojekt. Die Anfrage von Florian Niethammer kam gerade recht. Die Messe Stuttgart wollte als erste Messe ein eigenes Give-Away vom Entwurf bis zur Serienproduktion begleiten.

Kindermann: Wie lief das ab?  

Ritter: Er fragte wie ein Kunde bei unserem Masterstudiengang Maschinenbau an der Hochschule Reutlingen an und rief einen Lieferantenwettbewerb für ein Besteck aus, mit allen realen Fragestellungen eines „Auftraggebers“. Ein wahrer Segen, unsere Studierenden derart auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Und alle sind natürlich wahnsinnig stolz, sich auf der Messe präsentieren zu dürfen.

Kindermann: Bei dem Besteck dürfen wir davon ausgehen, dass es nur „gute“ Seiten gibt und das Messer soll wohl richtig scharf sein?

Ritter: Uns ist ein formschönes Teil gelungen, bei dem Löffel und Gabel als Kombiteil und das separate Messer per Bajonett-Verschluss verbunden werden können. Das „3-2-eat“ ist selbsterklärend in der Bedienung, von ansprechendem Design und angenehmer Haptik und mit einer Fläche, auf der sogar noch Logos platziert werden konnten. Durch die unglaublich gute Kooperation ist ein ausgereiftes Top-Produkt entstanden.

Kindermann: Auch hier gibt es fünf Unternehmen, die sich an dem Projekt beteiligen?

Ritter: Ohne Partner, Unternehmen und die Verbindung von Theorie und Praxis können wir solche Projekte nicht stemmen und würde es auch keine solchen Innovationen geben. Bei dem  Werkzeugbau für das „3-2-eat“ stand den Studierenden der Werkzeugbau David Erz aus Laichingen zu Seite. Die anschließende Härtung der Bauteile übernahm Werz Vakuum-Wärmebehandlung aus Gammertingen. Die Experten von Reichle, dem Gravier- und Laserschweißzentrum in Bissingen an der Teck, brachten die hochwertige Textur ins Werkzeug. Auf der Messe werden wir auf einer Spritzgussmaschine von Arburg aus dem Schwarzwald produzieren, mit Material von BASF und Farbmasterbatches von Granula aus Rudolstadt.

Kindermann: Das „3-2-eat“-Esswerkzeug zeigt, was durch Kooperation in der Branche alles möglich ist.

Ritter: Es steht exemplarisch für die Herausforderungen, die an eine Kunststoffbauteilentwicklung und den Werkzeug- und Formenbau gestellt werden.

Kindermann: Wo finden wir Sie auf der Messe?

Ritter: Mit dem 3-2-eat präsentieren wir uns in Halle 4 am Stand A02. Und gleichzeitig in Halle 6 der Messe Stuttgart produzieren Patrick Wiest, Christoph Stehle und alle Kooperationspartner den Polyman am Gemeinschaftsstand des VDWF.