Hochschule Reutlingen

Hörkontaktlinse von Vibrosonic

Mehr als sechs Millionen Menschen in Deutschland gelten als mittel- bis hochgradig schwerhörig – und doch trägt nicht einmal die Hälfte der Betroffenen Hörgeräte. Viele Menschen verzichten auf Hörgeräte, weil sie ein Pfeifen im Ohr wahrnehmen, ihre Stimme für sie selbst anders klingt oder ganz einfach: weil sie einen zu geringen positiven Effekt spüren. 

Die Hörkontaktlinse (HKL) ist ein von der Vibrosonic GmbH entwickeltes innovatives Hörgerät, das das Trommelfell direkt mechanisch anregt. Sie ist nur wenige Millimeter groß und passt auf eine Fingerspitze – oder, noch besser: in den Gehörgang.
Im 3D-Druck gefertigt, hat sie die gleiche Form wie das Trommelfell der Trägerin oder des Trägers. Sie sitzt direkt darauf und überträgt Schall mechanisch, ganz ohne Lautsprecher wie herkömmliche Hörgeräte.

Die HKL wird mittels MEMS-Technologie (micro-electromechanical system) hergestellt. Ein piezoelektrischer Aktor versetzt das Trommelfell durch mechanische Auslenkung in Schwingung. Vor allem hohe Töne können so verstärkt werden – was Klangqualität und Sprachverständnis verbessert, besonders bei Altersschwerhörigkeit. Und das, ohne den Gehörgang komplett zu verschließen.
Der Kontakt zum Trommelfell erfolgt über eine individuell geformte Silikonkappe, die mit einem dünnen Ölfilm anliegt. Soundprozessor, Batterie und Mikrofon sind derzeit in einem Hinter-dem-Ohr-Modul untergebracht.

Simulationen mit Finite-Elemente-Modellen (FE-Modellen) helfen, die Leistungsfähigkeit der HKL zu bewerten. Zur Validierung dienen Laser-Doppler-Vibrometermessungen. Damit lassen sich z. B. der optimale mechanische Aufbau des Aktors und seine Ankopplung ans Trommelfell gezielt untersuchen.

Der vergleichsweise steife Aufbau der Hörkontaktlinse ist nicht in allen Belangen von Vorteil, weil sich das Trommelfell bei statischen Druckschwankungen, wie beim Tauchen oder im Flugzeug, verbiegt. Daher forschen wir im Projekt „TYMP-CONTACT“, welches von der Carl-Zeiss-Stiftung gefördert wird, an einer elektroaktiven Folie, die eng auf das Trommelfell aufgelegt wird und sich quasi an das Trommelfell anschmiegt, ähnlich wie eine Augenlinse. Die Trommelfelllinse soll an das Trommelfell angepasste Kontakteigenschaften aufweisen und in ihrem mechanischen Aufbau so ausgelegt sein, dass sie optimale Übertragungseigenschaften für Klangqualität und Sprachverständlichkeit bietet. 

 

Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Erforschung von Funktionalisierungsstrategien der silikonierten Oberfläche für eine Materialplattform. Mit dieser können Oberflächeneigenschaften gezielt anwendungsspezifisch angepasst werden, z. B. auch zur besseren Heilung als Wundauflage.